Erinnerungs-kultur.
Wenn wir uns heute für ein gutes Miteinander einsetzen, kommen wir an der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht vorbei. Die nationalsozialistischen Verbrechen, die in der Shoa gipfelten, markieren einen zivilisatorischen Abgrund.
Erinnerungskultur bedeutet für mich nicht ausschließlich Gedenken, sondern eine Haltung: hinsehen, benennen, Verantwortung übernehmen. In einer Zeit, in der Antisemitismus, Rassismus und weitere Diskriminierungsformen wieder lauter werden, ist es umso wichtiger, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.
Auf kommunaler Ebene bedeutet das vor allem, sich kritisch mit der Geschichte der eigenen Stadt auseinanderzusetzen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Frage, wo und wie im öffentlichen Raum an Personen erinnert wird, die von den nationalsozialistischen Verbrechen profitiert haben oder gar aktiv beteiligt waren.
Umbenennung von Straßen
Im Jahr 2015 beschloss der damalige Stadtrat, eine Kommission einzusetzen, um Straßen zu untersuchen, deren Namenspat:innen während der NS-Zeit gelebt haben und „von denen anzunehmen ist, dass sie sich in dieser Zeit diskreditierende Handlungen zuschulden kommen ließen“. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellte die Kommission uns im Dezember 2020 in einem Abschlussbericht vor. Bei neun Namenspaten empfahl die Kommission eine Umbenennung oder Kontextualisierung, weil sich anhand historischer Quellen ergab, dass die Verfehlungen dieser Personen in der NS-Zeit so gravierend waren. Dabei handelt es sich um: Heiner Dikreiter, Nikolaus Fey, Carl Schadewitz, Hermann Zilcher, Karl Ritter von Frisch, Armin Knab, Peter Schneider, Richard Strauss, Michael Kardinal Faulhaber.
In der Folge diskutierten wir im Stadtrat intensiv, welche Konsequenzen wir aus diesen Empfehlungen ziehen wollen. Für eine umfassende Entscheidungsbildung fanden u.a. auch Informationsveranstaltungen für die betroffenen Anwohner:innen, Nachkommen und die interessierte Öffentlichkeit statt.
Der Kulturausschuss als Fachgremium traf am 16. Februar 2022 die Entscheidung, Heiner-Dikreiter-Weg, Nikolaus-Fey-Straße, Schadewitzstraße, Karl-Ritter-von-Frisch-Weg und Hermann-Zilcher-Straße seien umzubenennen; Armin-Knab-Straße und Peter-Schneider-Straße zu kontextualisieren. Meinem Antrag, auch die Richard-Strauss-Straße umzubenennen, ist der Ausschuss ebenfalls gefolgt.
Kontroverse Diskussionen
Meine Haltung
Auch ich persönlich bin der Auffassung, dass Zilchers Handeln vor und während des Nationalsozialismus eindeutig für eine Straßenumbenennung sprechen: Zilcher war bereits vor 1933 im deutsch-völkischen Block aktiv, äußerte sich in der Weimarer Zeit nationalistisch und veröffentlichte Artikel in einem rechtskonservativen Hetzblatt. Unter dem NS-Regime selbst nutzte er die Strukturen von Staat und Partei für seine Karriere. Von Gauleiter Hellmuth wurde Zilcher 1939 in den Stadtrat von Würzburg berufen. Dieses Gremium war gleichgeschaltet und bestand nur aus Regime-treuen Ratsherren. Stadträte, die die NS-Ideologie nicht teilten, wurden anfangs zum Rücktritt gezwungen oder direkt in Schutzhaft genommen. Später, auch in Zilchers Amtszeit, bestimmte ausschließlich die NSDAP, wer dem Stadtrat angehören dürfe. Als Ratsherr hatte Hermann Zilcher Kenntnis davon, dass jüdischer Grundbesitz in Würzburg enteignet und dieser unrechtmäßige Besitz von der Stadt angekauft wurde.
Auch seine Denunziation eines Bekannten der Familie, Eugen Vinnai, bei der Gestapo wiegt schwer. Denn damit nahm er schwerwiegende Konsequenzen für diesen Mann in Kauf. Als extralegal agierende, verbrecherische Organisation hatte die Gestapo weitreichende Befugnisse, um brutal gegen Menschen vorzugehen.
Ich meine, dass es damit mehr als genug Gründe für die Umbenennung der Hermann-Zilcher-Straße gibt und bin froh, dass eine deutliche Mehrheit von 29 zu 19 Stadtratsmitgliedern dies genauso sieht!
Kardinal Faulhaber
Für mich ist klar, dass Kardinal Faulhaber das Gegenteil von einem Demokraten gewesen ist. Es gibt ganz eindeutige Gründe, die für mich eine Beibehaltung des Straßennamens ausschließen. Ein Beispiel: Im November 1936 hat sich Kardinal Faulhaber mit Adolf Hitler auf dem Obersalzberg getroffen. Der Inhalt dieses Gesprächs ist durch die umfangreichen Notizen und Tagebucheintragungen Faulhabers genaustens dokumentiert. Unter anderem haben die beiden über das Thema der Zwangssterilisation gesprochen. Während der NS-Zeit sind rd. 400.000 Menschen zwangssterilisiert worden, weil sie als erbkrank galten. Faulhaber hat Hitler bestätigt, dass die Kirche dazu im Grundsatz die Position des Nationalsozialismus teile, dass der Staat „in gerechter Notwehr diese Schädlinge von der Volksgemeinschaft fernhalte“ (Zitat Faulhaber). Faulhaber hat damit eins zu eins die Rhetorik des Nationalsozialismus übernommen und die NS-Ideologie verteidigt. Auch Faulhabers Verhalten nach 1945 zeugt von einer gefährlichen ideologischen Überzeugung: Von Kardinal Faulhaber vermisst man aus dieser Zeit jegliches Eingeständnis von Mitverantwortung. Auf welcher Seite er nach 1945 stand, macht Faulhaber deutlich als er sich persönlich dafür eingesetzt habe, dass einer der Hauptangeklagten der Nürnberger Prozesse, Hans Frank, Generalgouverneur in Polen, auch der „Schlächter von Polen“ genannt, begnadigt werden solle.
Nach einer kontroversen Debatte im Stadtrat gab es ein deutliches Ergebnis: 27 Stadtratsmitglieder stimmten für die Umbenennung, 14 dagegen (CSU & AfD). Seit 2024 heißt der Platz nun „Theaterplatz“.
Weitere Umbenennungen
Außerdem haben wir mit großer Mehrheit (gegen AfD & Teile der CSU) beschlossen, dass die Richard-Strauss-Straße in „Klara-Ullmann-Straße“ umbenannt wird. Dies geht auf meinen Antrag zurück.
Der Graf-Luckner-Weiher wird in „Sander-Weiher“ umbenannt.
Damit haben wir zu allen Straßennamen, die von der Kommission herausgearbeitet wurden, als Stadtrat eine Entscheidung getroffen. In den meisten Fällen entschieden wir uns für eine Umbenennung, teilweise gibt es Kontextualisierungen. Zwar hat sich der Prozess über gut vier Jahre gezogen, über das Ergebnis bin ich jedoch sehr froh. Wir haben uns die Entscheidungen nicht leicht gemacht, aber schlussendlich gezeigt, dass Straßennamen, deren Namensgeber:innen NS-Ideologie vertreten haben oder bewusst von ihr profitierten, keinen Platz in Würzburg haben.
Die neuen Namen
Auf die Initiative der Grünen wurden alle umbenannten Straßen nach Frauen benannt. In vielen Fällen handelt es sich um Frauen, die selbst Opfer des Nationalsozialismus wurden.
Heiner-Dikreiter Weg —> Milly-Marbe-Fries-Weg
Hermann-Zilcher-Straße —> Theresia-Winterstein-Straße
Nikolaus-Fey-Straße —> Elli-Michler-Straße
Schadewitzstraße —> Rosa-Buchbinder-Straße
Richard-Strauss-Straße —> Klara-Ullmann-Straße
Kardinal-Faulhaber-Platz —> Theaterplatz
